Der Bedarf an erdverlegten Höchstspannungsleitungen in Deutschland ist durch die von der Bundesregierung eingeleitete Energiewende stark angestiegen. Der Druck auf die Übertragungsnetzbetreiber, das Stromnetz angesichts des zunehmenden regionalen Energie-Ungleichgewichts bedarfsgerecht auszubauen, ist groß. Jedoch gehen der Installation einer neuen Stromtrasse umfangreiche Genehmigungsprozesse voraus: Nach Veröffentlichung der ersten Korridorvorschläge laden Übertragungsnetzbetreiber oder auch Kommunen im Regelfall zunächst zu unverbindlichen Informations- und Dialogveranstaltungen ein. Der Austausch soll zu einem beidseitigen Verständnis von örtlichen Gegebenheiten und geplanten Maßnahmen führen. Im Anschluss ermöglicht die Bundesfachplanung erstmals eine formelle Bürgerbeteiligung. Ist hierdurch ein rund 500 bis 1.000 m breiter, sogenannter Grobkorridor identifiziert, beginnt die Planfeststellung. Sie definiert die konkrete Ausführung der Trasse und bietet erneut formelle Beteiligungsmöglichkeiten.
Bleibt der Planfeststellungsbeschluss unangefochten, beginnt die Bauphase. Hierbei sind alle stattgegebenen Auflagen zur Landschaftspflege, zum Bodenschutz oder auch zur Archäologie zu berücksichtigen. Zwischen Planungsbeginn und Planfeststellung einer Stromtrasse auf Höchstspannungsebene vergehen häufig mehrere Jahre. Baubeauftragte sehen es dann als ihre Verantwortung, die Baumaßnahme nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch zügig umzusetzen, damit der Kunde die Leitung zeitnah in Betrieb nehmen kann.
Startschuss bei der Erdverlegung von 380-kV-Leitungen ist der Erdaushub des Kabelgrabens. (Bildquelle: Köster GmbH)
In der Regel werden die Trassen in offener Bauweise verlegt. Die umfangreichen Tiefbauarbeiten für dieses konventionelle Verfahren beginnen mit dem Aushub des Kabelgrabens. Zwei zu verlegende Stromkreise bestehen bei Drehstrom aus vier Teilsystemen mit je drei Leitern. Bei diesen Trassen ist in der Bauphase eine Schneise von rund 45 bis 50 m Breite nötig. Nach dem Einsatz der Leerrohre und dem Teilverfüllen mit thermisch stabilem Bettungsmaterial zur Wärmeableitung wird der Graben mit den Bodenschichten wie der so aufgefüllt, wie sie entnommen wurden, um die natürliche Bodenfunktion zu erhalten. Abschließend werden die Kabel durch die unterirdischen Leerrohre gezogen und die Leitung kann den Betrieb aufnehmen. Der spätere Schutzstreifen, der frei von tiefwurzelnden Gehölzen gehalten werden muss, umfasst dann etwa 20 bis 30 m. Er dient dem Schutz der Rohre vor Beschädigung und der Zugänglichkeit im Servicefall.
Der zeitintensivste Arbeitsschritt hierbei ist das Verlegen der Leerrohre. Sie müssen eben, ausgerichtet und sicher auf einer verdichteten Sohle gebettet sein. Dabei gelten hohe Anforderungen. Für den späteren Kabeleinzug müssen die Leerrohre optimal liegen. Ovalbildung durch einseitigen Druck muss ebenso vermieden werden wie ein zu geringer Verlegeradius oder Beschädigungen. Zudem müssen die Leerrohre exakt entsprechend den vorgegebenen Toleranzen verlegt werden und dürfen sich im Trassenverlauf weder horizontal verlagern noch vertikal annähern.
Risiko und Zeitverlust bei konventioneller Erdkabeltechnik
Das Zusammenspiel von Leerrohr und Bettung muss eine bestmögliche Umgebung für die Leitung bieten, um kritische magnetische und thermische Wechselwirkungen auszuschließen. Da die Kabel und Schutzrohre von Erde umgeben sind, empfiehlt sich je nach Anforderung eine optimale Ableitung der durch elektrische Verluste entstehenden Wärme. Ansonsten kann die Wärmeentwicklung den möglichen Stromfluss und damit die übertragbare Leistung verringern sowie den Feuchtehaushalt des anstehenden Bodens beeinträchtigen. Im konventionellen Verfahren werden hierzu der Untergrund und die Zwickel manuell mit hohem Aufwand verdichtet. In der Praxis bedeutet das einen erheblichen Zeitaufwand mit einhergehenden Risiken. Um den Zwickelbereich unterhalb der Rohrkämpfer zu verdichten, setzen die Tiefbauer Stampfer schräg an und laufen die Trasse Meter für Meter zwischen den eng beieinanderliegenden Schutzrohren ab. Das kostet Zeit. Der enge Bewegungsspielraum in Zusammenhang mit dem schweren Werkzeug birgt zudem die Gefahr von Arbeitsunfällen. Außerdem können die hohen Punktkräfte dicht entlang der Rohre zu Beschädigungen des Materials führen. Im schlimmsten Fall muss das bereits geschweißte Rohr unter Zeitverlust ausgetauscht und neu verschweißt werden. Letztlich kann eine gleichmäßig hohe Verdichtung manuell nur mit hohem Aufwand sichergestellt werden.
Vor dem Hintergrund der beschriebenen komplexen Herausforderungen beteiligt sich Köster seit Jahren an der Entwicklung neuer Verfahren zur Erdverlegung von Höchstspannungsleitungen. An Köster-TransVer arbeitet das Unternehmen seit 2016. Das Trassenprofilierungsverfahren setzt auf neuartige Technik und innovative Baustoffe zur maschinellen Sohlbettung der Leerrohre. In der Theorie bietet die neue Methode Vorteile in den Dimensionen Wirtschaftlichkeit und Qualität gegenüber dem konventionellen Verfahren, weil sie unter Einhaltung der vorgegebenen Toleranzwerte die Verlegegeschwindigkeit steigert, dabei die verbundenen Risiken für Mensch und Material minimiert und die Kosten insgesamt senkt.
Mithilfe des Roverstabs misst ein Mitarbeiter der Köster GmbH Position und Tiefe der Sohlbettung, nachdem der Profilverdichter seine Arbeit beendet hat. (Bildquelle: Köster GmbH)
Hohe Lagestabilität und Verdichtungsqualität
Nach dem Aushub des Kabelgrabens und dem Einfüllen des Bettungsmaterials kommt bei KösterTransVer der sogenannte Profilierungsverdichter zum Einsatz. Hier bei handelt es sich um eine stark modifizierte Rüttelplatte mit speziellen Eigenschaften. Sie wird mithilfe eines Zugfahrzeugs über den geplanten Trassenverlauf geführt. Die konvexen Hohlkufen erzeugen dabei drei passgenaue, konkave Bettungsmulden, die Rohren eine absolute Lagestabilität bieten. Durch Parallelfahrten entstehen bei Bedarf weitere Teilsysteme exakt neben bereits bestehenden Verläufen. Ein vertikales Annähern der später eingelegten Leerrohre ist durch die vorgegebenen Mulden nicht mehr möglich. Zudem lassen sich der Leitungsverlauf und die Verlegetiefe bereits zu diesem Zeitpunkt exakt messen und kontrollieren.
In einem Arbeitsschritt legt die Maschine nicht nur das Profil für das spätere Rohr, sondern verdichtet gleichmäßig die Sohle unterhalb und seitlich der Rohre. Die Kombination führt in Zusammenhang mit dem genutzten Bettungsmaterial mit optimaler Korngrößenverteilung gemäß Fullerkurve zu einer ausgeglichenen Wärmeableitung. In der Folge können sowohl die Leitungen eines Teilsystems als auch die Teilsysteme selbst näher beieinander verlegt werden. Die Breite der Schneise und des späteren Schutzstreifens für die Kabeltrasse können bei Verwendung thermisch stabilisierter Bettungsmaterialien anstelle des anstehenden Bodens reduziert werden.
Höhere Verlegeleistung, besserer Arbeitsschutz
Durch den Wegfall der manuellen Verdichtungsarbeiten lässt sich die Verlegung erheblich beschleunigen. Gleichzeitig besteht keine Gefahr mehr, dass die Tiefbauer sich auf den teils mehrere 100 m langen Strecken mit schwerem Stampfgerät verletzen. Auch das Risiko von Beschädigungen an den Leerohren wird ausgeschlossen, weil die Bettung der eingelegten Rohre nicht mehr nachverdichtet werden muss. Stattdessen werden die Zwischenräume direkt mit weiterem Bettungsmaterial verfüllt und weiterhin verdichtet. Das Risiko einer Ovalbildung der Leerrohre ist bei diesem Arbeitsschritt aufgrund der hochwertigen Vorprofilierung minimiert.
Die Vorteile von Köster-TransVer entfalten sich demnach vor allem in Kombination mit dem hochleistungsfähigen und sieblinienoptimierten Bettungsmaterial. Dies soll zur größtmöglichen Wärmeableitung beitragen und gleichzeitig den Boden schonen, weil kein Einsatz von Zement oder Polymeren stattfindet. Die Trassenbereiche werden nicht nachteilig im Chemismus verändert. Bei gleicher Stromleitungsfähigkeit der Trasse fällt der Eingriff in bewirtschaftete Flächen geringer aus und sie können schneller wieder genutzt werden.
Der Verzicht auf manuelle Verdichtung steigert die Verlegeleistung durch Köster-TransVer. Die manuelle Nachverdichtung und damit das Risiko von Verletzungen bei Mensch und Material entfällt. (Bildquelle: Köster GmbH)
Optimierungen und Praxiseinsatz
Das KompetenzCenter Rohrleitungsbau erprobte die Umsetzung der Idee hinter KösterTransVer erstmals im Juli 2016 auf einem Testfeld in Greven in der Nähe der nordrheinwestfälischen Stadt Münster. Dem rund viermonatigen Debüt folgten verschiedene Systemoptimierungen, bis das Verfahren Mitte 2017 nahe der Gemeinde Veendamm in der niederländischen Provinz Groningen erneut sechs Wochen lang auf die Probe gestellt wurde.
Der Ersteinsatz bei einem konkreten Projekt erfolgte Ende 2018 auf einem Teilabschnitt der seit 2012 in Planung befindlichen Trasse Dörpen West-Niederrhein. Die insgesamt 165 km lange 380kV-Leitung verbindet das Umspannwerk Dörpen West, das große Mengen Gleichstrom aus den Offshore-Windparks der Nordsee sowie von den Onshore-Windenergieanlagen der Region aufnimmt, mit der Umspannanlage Wesel am Niederrhein. Die Konverterstation in Dörpen West wandelt den Gleichstrom in Wechselstrom um. Die dort neu zu errichtende Auskopplung ist in einem zweiten Auftrag auch von Köster erstellt worden. Die Trasse gehört zu den neun vom Gesetzgeber definierten Pilotprojekten, in denen die TenneT TSO GmbH Betriebserfahrungen mit Drehstrom-Erdkabeln im Höchstspannungsbereich sammelt.
Die TenneT TSO GmbH ist für einen insgesamt 31,1 km langen Teilabschnitt verantwortlich, von dem 28 km als Freileitung realisiert werden. Auf einer Länge von 3,1 km soll Köster mit einem Erdkabel das Harener Stadtgebiet zwischen Dankern und Segberg passieren. Seit dem Frühjahr 2018 hoben die Tiefbauer sukzessive den Graben mit rund 45 m Breite und 1,8 m Tiefe aus. Die Kabel der Teilsysteme wurden in einer Nenntiefe von ca. 1,6 m im Abstand von 0,6 m verlegt. Insgesamt zwei Stromkreise mit je zwei Teilsystemen werden hier realisiert. Somit werden vier mal drei Schutzrohre bzw. Kabel zuzüglich Leerrohre für Nachrichtenkabel installiert.
Neue Technik beschleunigt Sohlbettung
Köster-TransVer pilotierte auf einem rund 150 m langen Teilabschnitt dieser Strecke. Hierzu wurde der Profilierungsverdichter von einem Bagger über das Bettungsmaterial gezogen. Da ein Bagger im Regelfall bereits auf der Baustelle eingesetzt wird, bereitet dieses Vorgehen keinen Zusatzaufwand und bietet so einen logistischen Vorteil. Lediglich der Profilierungsverdichter muss per Lkw antransportiert werden.
Bei dem Einsatz erzeugte die Maschine eine gleichmäßig verdichtete Sohlbettung gemäß erforderlicher Toleranzen in Bezug auf Abstand und Tiefe der Mulden. Durch die Parallelfahrt wurde ein zweiter Abschnitt des Teilsystems erzeugt. Wichtiges Kriterium bei diesem Einsatz ist das Können des Maschinenführers, der in gleichbleibendem Tempo manuell den Profilierungsverdichter entlang der Vorgaben führt.
Köster hat zahlreiche Messungen durchgeführt und sie mit den Ergebnissen des konventionellen Verfahrens verglichen. Neben den Qualitätsvorteilen durch die gleichmäßig hohe Verdichtung zeigte der Piloteinsatz, dass die Herstellung der Sohlbettung deutlich beschleunigt wird. Messungen ergaben auf den ca. 150 m eine Beschleunigung rund 25 %, was einen Vorteil für die Auftraggeber und für viele Anlieger darstellt, die beispielsweise ihre Äcker oder Forstflächen schneller wieder nutzen können. Je länger die Strecke ist, auf der das Verfahren zum Einsatz kommt, desto höher die Zeiteinsparungen.
Der spezielle Schweißcontainer des Kompetenz-Centers Rohleitungsbau der Köster GmbH ermöglicht das simultane Schweißen von zwei PE-Rohren. (Bildquelle: Köster GmbH)
Den Prozess kontinuierlich verbessern
Weitere Optimierung setzt das Köster-Kompetenz-Center derzeit im Nachgang der Bettungsarbeiten beim Schweißen der Leerrohre ein. Sie werden in Einzellängen auf die Baustelle gebracht und vor Ort zu Rohrsträngen verschweißt. Für das Verschweißen haben die PE-Schweißer aus dem Köster-Kompetenz-Center Rohrleitungsbau eigene Schweißcontainer nach ihren Bedürfnissen entwickelt und gebaut. Im „KösterWeldCon“ befinden sich zwei Schweißlinien zur simultanen Fertigung zweier parallel liegender Rohrstränge.
Da beide Schweißmaschinen einschließlich der benötigten Klemmbacken betriebsbereit in den Schweißcontainer eingebaut sind, stehen sie auf der Baustelle direkt zur Verfügung – Rüstzeiten zu Arbeitsbeginn und -ende entfallen. Zudem ist das Schweißen bei einem größeren Witterungsspektrum möglich. Wenn übliche Schutzmaßnahmen wie Zelte oder Windschutz kein sicheres Arbeiten mehr zulassen, bietet der Container Regen- und Sonnenschutz sowie Heizmöglichkeiten. Stationäre Einbauten erleichtern die Arbeit. Durch die nahezu gleichbleibenden Bedingungen im Schweißcontainer werden die Einflüsse durch äußere Einwirkungen deutlich reduziert. Dadurch wird bei den Schweißnähten eine gleichbleibende, hohe Qualität erzielt.
Weitere Optimierungen im Blick
Der Piloteinsatz von Köster-TransVer hat wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der zum Patent angemeldeten und mit einem Gebrauchsmusterschutz versehenen Technik geliefert. In den kommenden Monaten wird das Unternehmen weitere Tests durchführen. Man ist sich sicher, dass die Verlegung von Erdleitungen gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern so weiter verbessert werden kann. Bei nur kleiner Anpassung der Randbedingungen rechnet Köster mit einem dauerhaften Einsatz ab Mitte 2019. Gleichzeitig sieht man Potenzial in der Verlegung von Rohren für weitere Medien.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung durch:
bbr Leitungsbau | Brunnenbau | Geothermie; Ausgabe 2/2019; wvgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; 2019. Link zur Website von bbr Leitungsbau | Brunnenbau | Geothermie und zu weiteren Informationen.
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