1995 wurde die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) KONTEK in Betrieb genommen und koppelt seitdem das dänische Stromnetz auf der Insel Seeland mit dem deutschen Stromnetz im Landkreis Rostock/ Mecklenburg-Vorpommern. Das insgesamt rund 170 Kilometer lange monopolare Gleichstromkabel wird mit 400 Kilovolt betrieben und kann maximal 600 Megawatt übertragen. Der Name dieser wichtigen Verbindung setzt sich aus dem Wort ‚Kontinent‘ und dem Kürzel des damaligen dänischen Netzbetreibers ‚ek‘ Elkraft (heute Energinet) zusammen. Auf deutscher Seite ist der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH, Berlin, für das Kabel verantwortlich. In den 2010er Jahren wurde das KONTEK-Seekabel durch ein neues, etwas westlicher gelegenes Kabel ersetzt und das alte Kabel entfernt.
Im Gegensatz zu vergleichbaren HGÜ wie Baltic Cable oder Kontiskan wurde die KONTEK auf den rund 119 Kilometer langen Landabschnitten bereits in den 1990er Jahren nicht als Freileitung, sondern komplett als Erdkabel ausgeführt. Nach nunmehr rund 30 Jahren befinden sich die Kabel jedoch am Ende ihrer Betriebsfähigkeit. Eine Erneuerung war somit notwendig, um auch weiterhin auf deutscher Seite die europäische Netzinfrastruktur zu stabilisieren, die nationale Stromversorgung zu sichern und auch die kontinuierliche Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz sicherzustellen.
Der vormontierte rote Schutzrohrrohrstrang muss für den Einzug im Breitling zwischengelagert und dort speziell gesichert werden. Unten rechts im Bild ist die mit Bentonit gefüllte Startbaugrube für das HDD-Verfahren zu sehen. Bildquelle: Köster GmbH
Für die etwa 14 Kilometer langen neuen KONTEK-Landkabel auf dem deutschen Festland erstellten die KCR-Mitarbeiter abschnittsweise einen Graben, in dem die Schutzrohre mit einer durchschnittlichen Überdeckung von 1,5 Metern fachgerecht verlegt wurden. In diese Leerrohre wurde im Nachgang das Hochspannungskabel eingezogen und die einzelnen Kabelabschnitte über Muffen in dafür hergestellten Baugruben (sogenannte Muffengruben) miteinander verbunden.
Was zunächst wie ein alltägliches Tiefbauprojekt klingt, entpuppte sich schon während der von Köster erstellten Ausführungsplanung als außergewöhnliches Bauvorhaben: Da die Trasse der neuen KONTEK in unmittelbarer Nähe zu der alten, in Betrieb befindlichen Hochspannungsleitung verläuft, ergaben sich besondere Ansprüche an die Arbeitssicherheit. Darüber hinaus stellten die geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten vor Ort das Bauteam vor Herausforderungen. Der anstehende Boden ist geprägt von Moränen, Schmelzwasserkiesen und -sanden sowie Findlingen, und ist mal dicht, sehr dicht oder locker gelagert. Zudem musste auf einer Strecke von 420 Metern der Aushub des Grabens unter Kampfmittelräumdienstbegleitung erfolgen.
„Der Streckenabschnitt konnte im Vorfeld nicht komplett untersucht und sondiert werden. Da wir davon ausgehen mussten, dass sich unter Umständen Kampfmittel im Boden befinden, kam nur eine baubegleitende Kampfmittelräumung für diesen Bereich in Frage. Neben einem speziell gepanzerten Bagger zum Schutz unserer Mitarbeiter, war die ganze Zeit ein Sprengmeister vor Ort. Insgesamt war die Verlegung auf diesem Streckenabschnitt zeitaufwendig. Zusätzlich musste in diesem Bereich noch eine aufwendige Wasserhaltung für das anstehende Grundwasser installiert werden.“
Doch damit nicht genug: Auf dem selben Streckenabschnitt stießen die Köster-Mitarbeiter auf einen kontaminierten Bereich. Die Arbeiten mussten daher in einer Schwarz-Weiß-Baustelle fortgeführt werden. Beim Schwarz-Weiß-Prinzip wird der „saubere“ (weiße) Bereich von dem „dreckigen“ (schwarzen/ kontaminierten) Bereich getrennt und so eine Verunreinigung beziehungsweise Verschleppung von Schadstoffen und biologischen Stoffen vermieden.
„50Hertz hatte hier einen Arbeits- und Sicherheitsplan gemäß den Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erstellen lassen, bei dessen Umsetzung unsere Erfahrung auf dem Gebiet hilfreich war. So sah der Plan unter anderem vor, dass die Mitarbeiter mit Schutzanzügen und Masken inklusive Filtersystem ausgestattet werden, um vor möglichen Gefahren geschützt zu sein. Der kontaminierte Boden wurde fachgerecht zwischengelagert, beprobt und dann entsprechend abgefahren.“
Gerade einmal drei Werktage hatten die Mitarbeiter vom Köster Tiefbau Energieinfrastruktur Zeit, die beiden Baltic-Kabel mit den Schutzrohren für die neue KONTEK-Landkabeltrasse zu kreuzen. Das Abschaltungsfenster für die in Betrieb befindlichen Hochspannungskabel war deshalb so kurz bemessen, damit die Versorgungssicherheit mit dem Offshore-Windstrom nicht gefährdet wurde. In der zur Verfügung stehenden Zeit mussten die Baltic-Leitungen und die nebenliegenden Bereiche mit weiteren Fremdleitungen freigelegt und untergraben werden. Die Schutzrohre für die neue KONTEK wurden in einer Tiefe von drei Metern verlegt. Um eine Beeinflussung der Hochspannungskabel untereinander so weit wie möglich zu vermeiden, war ein Bettungsmaterial gefordert, welches über eine Wärmeleitfähigkeit von größer gleich zwei Watt pro Meter und Kelvin (≥ 2 W/mK) verfügte. Gleichzeitig sollte das Bettungsmaterial ‚wiederaushubfähig‘ sein, um im Notfall die Infrastruktur wieder freilegen zu können.
Die Baugrube wird mit zeitweise fließfähigem selbstverdichtendem Verfüllbaustoff verfüllt. Der Vorteil darin ist zum einen die Spatenlösbarkeit auch im verfestigten Zustand, und zum anderen kann so die geforderte Wärmeleitfähigkeit eingehalten werden. Bildquelle: Köster GmbH
Nach Einschätzung von Köster kam hier zeitweise fließfähiger selbstverdichtender Verfüllbaustoff (ZFSV) in Frage, um diese Anforderungen zu erfüllen. Da die sogenannten Flüssigböden bisher in der Regel nur über eine Wärmeleitfähigkeit von ca. 1,5 W/mK verfügen, entwickelte Köster gemeinsam mit Unterstützung eines in Bochum ansässigen Ingenieurbüros eine Rezeptur, die die Wärmeleitfähigkeit auf die geforderten minimalen zwei Watt pro Meter und Kelvin erhöhte. Quaderförmige Betonschalen verhinderten bei der Rückverfüllung des Grabens ein Aufschwimmen der Schutzrohre und sicherten so ihre Lage. Auch die oberhalb querenden Baltic-Leitungen wurden gemäß Auftriebsberechnung mit einer speziell hergestellten Konstruktion in ihrer Lage und gegen Auftrieb gesichert.
Die quaderförmigen Betonschalen sichern die Schutzrohre gegen Auftrieb, wenn die Baugrube mit dem zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoff im Kreuzungsbereich mit den beiden Baltic-Leitungen rückverfüllt wird. Bildquelle: Köster GmbH
In anderen Bereichen der neuen Trasse wurden die Schutzrohre grabenlos verlegt. Zum Einsatz kam hier das HDD-Verfahren, bei dem zunächst eine gesteuerte Pilotbohrung von einer Startgrube aus in Richtung des Zielpunktes erfolgt. Ist der Bohrkopf an seinem Ziel angekommen, wird er im Bedarfsfall gegen einen Aufweitungsbohrkopf ausgetauscht und zurück zur Startgrube gezogen. Dabei ist am anderen Ende des Aufweitungsbohrkopfes die Schutzrohrleitung montiert, die so in umgekehrter Richtung als vormontierter Rohrstrang in das Bohrloch eingezogen wird. Entfällt die Aufweitungsbohrung, wird die Schutzrohrleitung direkt nach der Pilotbohrung am Bohrgestänge befestigt und in das Bohrloch eingezogen. Bei den Bohrungen für die neue KONTEK kam bei der Pilotbohrung eine Bentonitsuspension zum Einsatz, mit deren Hilfe das Erdreich am Bohrkopf gelöst wurde. Gleichzeitig reduzierte diese durch ihre thixotropen Eigenschaften die Mantelreibung beim Einzug der Schutzrohre und stabilisierte zum anderen das Bohrloch. Aufgrund der vorliegenden Geologie wurde das Bohrloch bei den meisten Bohrungen dreimal hintereinander aufgeweitet. Vorteil des HDD-Verfahrens ist die Möglichkeit, Hindernisse bogenförmig zu unterfahren. Nachteilig ist dabei der Platzbedarf für diesen Bogen vor und nach dem tiefsten Punkt sowie der Innendruck, der durch die stützende Bentonitsuspension innerhalb des Bohrloches entsteht.
Von der Startbaugrube aus wird die HDD-Bohrung ausgeführt. Bildquelle: Köster GmbH
„In zwei Fällen wurde ein anderes grabenloses Verfahren eingesetzt. Das waren die Kreuzungsbereiche mit den Gleisen einer Werksbahn und der Deutschen Bahn AG, die parallel zu einer Bundesstraße verlaufen. Hier kam das gesteuerte Pressbohrverfahren zum Einsatz.“
Bei diesem Verfahren wurde von einer Startbaugrube aus, die direkt in der Tiefe der gewünschten Unterquerung hergestellt wurde, ein Stahlrohr DN 400 waagerecht in den Baugrund auf einer Länge von ca. 50 Metern eingepresst und der Boden mittels einer Grundwasserschnecke ausgebohrt. Der Vorteil hierbei ist, dass das Verfahren die Unterquerung in einer gleichbleibenden Tiefe und in einer geraden Führung ermöglicht. Zudem wird bei diesem Verfahren kein Innendruck durch eine Bohrsuspension erzeugt. Im Schutz dieses Stahlrohres erfolgte die Verlegung der Schutzrohre für das neue KONTEK-Landkabel.
Insgesamt kam das HDD-Verfahren bei 20 Querungen auf einer Gesamtlänge von rund fünf Kilometern zum Einsatz. 18 Querungen wurden dabei mit PP-HM Rohr DA 280 und Begleitrohren ausgeführt, zwei weitere mit Stahlschutzrohren DN 250 bzw. DN 150. Letztere wurden in einer maximalen Tiefe von 26 Metern verwendet, um den sogenannten Breitling – eine lagunenartige Erweiterung der Unterwarnow kurz vor deren Mündung in die Ostsee – auf einer Länge von knapp einem Kilometer zu unterqueren.
Eine weitere Besonderheit war die Spülfeld-Querung, die ebenfalls im HDD-Verfahren ausgeführt wurde. Hierbei musste der ca. ein Kilometer lange Rohrstrang für den Einzug schwimmend im Breitling zwischengelagert werden. Auch hierbei handelte es sich um einen komplexen Vorgang, da der Rohrstrang in einem Bogen auf der Wasseroberfläche geführt, extra gesichert und in seiner Lage fixiert werden musste. So konnte der Schiffsverkehr innerhalb des Breitling-Hafenbereichs gefahrlos aufrechterhalten werden.
Trotz aller Herausforderungen hat Köster das vom Kunden beauftragten Umfang von der Ausführungsplanung bis hin zur Fertigstellung gemeistert. Die Arbeiten wurden trotz der Komplexität des Vorhabens fristgerecht ausgeführt. Dabei hatte das Thema Arbeitssicherheit die ganze Zeit über einen sehr hohen Stellenwert. Neben der Erfahrung des Köster-Teams trug die Verwendung digitaler Planungssysteme zum erfolgreichen Abschluss der Baumaßnahme bei. Angewendet wurde unter anderem das Last Planner System – ein digitales Taktplanungsprogramm, welches die einzelnen Gewerke der Baustelle miteinander verknüpft und hilft, die Baustelle nach den Lean Construction Prinzipien zu managen. Ebenso zum Einsatz kam das Shopfloor Management (Controlling von der Baustelle bis zum Vorstand). Nach rund einem Jahr Bauzeit konnte die neu verlegte Leitung pünktlich für den Kabeleinzug an 50Hertz übergeben werden.
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